Es fehlt der nötige Ernst

Sehr geehrte Leser!

Kann man nach 42 Jahren Einsatz für den Schutz der Nichtraucher noch etwas tun? JA, wenn uns mehr Nichtraucher und die öffentliche Hand noch besser unterstützen würden. Gesundheitsverantwortlichen fehlt einfach der nötige Ernst zur Umsetzung wirksamer Maßnahmen. Wo bleiben Anti-Rauch-Aktionen, die in der Bevölke­rung auch wahrge­nom­me­n werden?

Um das Rauchen gesellschaftlich zu ächten, braucht es den Mut und den Willen der Politik, der Tabakindustrie den Kampf anzusagen. Doch im Zeitalter von Lobbyismus schaut die Politik eher auf Wirtschaftsinteressen als auf das Wohl der Bevölke­rung.

Wir brauchen Persönlichkeiten aus Poli­tik, Wirtschaft, Kultur, Sport usw., die bereit sind, ständig in der Öffent­lichkeit das vorzeitige Sterben von über 13.000 Rauchern pro Jahr in Österreich und über 1.000 Menschen, die dem Passivrauchen zum Opfer fallen, anprangern. Menschen, die in der Öffentlichkeit gehört werden und da­durch in der Lage sind, dem Rauchersterben und dem negativen Vorbild ein Ende zu bereiten.

Unverständlich, dass man im jugendlichen Alter überhaupt so dumm sein kann, mit dem Rauchen anzufangen, wo doch jeder die Schäd­lic­h­keit des Rauchens kennen müsste. Meine Aufklärungsvorträge in Tiroler Schulen für 13- bis 14-Jährige waren von 1982 -1985 sehr erfolgreich, wurden aber von der Tiroler Landes­re­gierung nicht gefördert und mussten eingestellt werden. Wo bleibt die Auf­klärung heute? Es fehlt an allen Ecken und Enden der nötige Ernst, ohne den jedoch das Raucherproblem nicht gelöst werden kann.

Statt ohne lange Diskussion die Zigarettenautomaten abzuschaffen, ist den Verantwortlichen die Nahversorgung mit Gift und die Einnahmequelle für Trafiken, Tabakindustrie und Staat wichtiger als der Schutz der Kinder und Jugendlichen, die trotz Alterskontrolle problemlos Ziga­retten aus dem Automaten holen.

Eine tabakdrogenfreie Gesell­schaft zu schaffen ist bei nötigem Ernst mög­lich. Das beweist z.B. der Präsident von Uruguay Tabare Vazquez. Seine Kampfansage: „Tabakprodukte sind einzigartig. Sie killen mehr als die Hälfte ihrer Konsumenten. (…) Jedes Jahr sterben dadurch mehr Menschen als durch beide Welt­kriege. (…) Neun von zehn Fällen von Lungenkrebs stehen mit dem Rauchen in Verbindung. (…) Wir sind mit einer durch die Industrie produzierten Krebs-Epidemie konfrontiert.“ Signifikante Preiserhöhungen, Rauchverbote in geschlossenen Räumen, drastische Warnhinweise, Sponsoringverbot usw. senkte den Zigarettenkonsum bei den Erwachsenen von 32 auf 23 Prozent. Unter den Schülern sank die Zahl der Raucher von 30 Prozent im Jahr 2004 auf 9 Prozent im Jahr 2014. Bei nötigem Ernst ist also vieles möglich! Warum wird dieses lohnende Ziel für die Gesundheit der Bevölkerung nicht umgesetzt?
Es muss ein Recht eines jeden Menschen sein, von seiner Geburt an in einer tabakrauchfreien Umwelt aufzuwachsen. Die enormen Kosten durch Rauchen im Gesundheitswesen und für die Volkswirtschaft haben wir in der letzten Ausgabe ausführlich aufgezeigt.

Uruguay ist ein Beispiel im Kampf gegen die Tabakindustrie. Bei nötigem Ernst kann das auch jeder Staat in Europa erreichen. Nur Österreich ist anscheinend „stolz“ darauf, der Letzte aller EU-Staaten zu sein, was Prävention und Maßnahmen zur Senkung des Raucheranteils betrifft. Nirgendwo ist der Raucheranteil der Jugendlichen so hoch wie bei uns. Und das in einem Industriestaat, dem es nicht an Wissen fehlt, nur am Mut! Damit dürfen wir uns nicht abfinden!

Robert Rockenbauer, Bundesleiter
Titelgeschichte der NRZ 2/2017