Schock – ein Nebenprodukt sachlicher Aufklärung

Sehr geehrte Damen und Herren!

Andreas Schwarz vom Kurier berichtet am 19.10.2016 auf Seite 1 unter der Überschrift „Grusel­kabinett“: „Wie kommt der Zeitungsverkäufer/Trafikant dazu, sich wie in einer Prosektur (= Sezierraum eines anatomischen Instituts) zu fühlen?“ Weiters witzelt er über die Sammler solcher Schockbilder und meint zum Schluss: „Wollte man alles, was im Leben gefährlich ist – Alk trinken, Schnitzel essen/vegan essen, Ski-/Auto fahren, leben! -, mit Schockbildern versehen, lebten wir in einem einzigen Gruselkabinett. In dem Eigenverantwortung keinen Platz hat, weil es mit Bevormundern überfüllt ist.“

Über „Eigenverantwortung“ habe ich in der Ausgabe 2/2016 auf Seite 1 berichtet und über die „Wirksamkeit von Schockbildern“ in der Ausgabe 3/2016 auf Seite 9. Eine fachliche Stellungnahme an den Kurier wurde natürlich nicht veröffentlicht. Dass aber Herr Schwarz „Mitleid“ mit Trafikanten hat, die diese Packungen verkaufen müssen, ist schon paradox. Da könnte man auch gleich fragen, wie kann man beim heutigen Wissen um die Schädlichkeit des Rauchens dieses Produkt mit über 4.800 Substanzen, von denen 90 krebserzeugend sind oder im Verdacht stehen, Krebs zu erzeugen, überhaupt in den Handel bringen? Wie kann man es einem Zigarettenverkäufer zumuten, dass seine bes­ten Kunden an dieser Sucht frühzeitig sterben bzw. einem jahrelangen Siechtum preisgegeben werden? Das muss doch das Gewissen eines jeden Tabakwarenhändlers schwer belas­ten, oder?

Wie kann man es den Ärzten und Pflegern in Krankenhäusern zumuten, diese selbstverschuldeten Raucherkrankheiten zu behandeln? Rauchen ist keine Privatsache, weil auch Angehörige die Raucherleiden hautnah miterleben. Daher muss das Rauchen gesellschaftlich geächtet werden, zum Schutze der Raucher selbst, der Nichtraucher und besonders der Jugend wegen.

Vergleiche mit Alkohol, Schnitzel essen, Ski-/Auto fahren usw. sind unüberlegt. Es gibt kein Passivessen oder -trinken. Von Bevormundung zu reden ist also ein Unsinn! Über 13.000 Raucher sterben vorzeitig jedes Jahr in Österreich. Und ganz besonders arg ist der Umstand, dass Raucher auch für über 1.000 Passiv­rauchtote pro Jahr mitschuldig sind. Da sind „Gruselbilder“ wohl ein Mindestmaß an Gegensteuerung. Rauchen ist die schädlichste Verhaltensweise und mit keiner anderen noch so ungesunden Lebensweise vergleichbar!

Gesundheitsrelevante Warnhinweise in Bildform sind eigentlich nur ein Nebenprodukt einer sachlichen Aufklärung. Wenn man schon zu feig ist, die Produktion von Tabakwaren zu verbieten, weil dem Staat das Geld der Süchtigen wichtiger ist als die Gesundheit seiner Bürger, dann ist es seine Verpflichtung, den Konsumenten dieser Giftstoffe ausreichend zu warnen. Texte wirken weniger als Bilder, das leuchtet doch jedem ein. Der Kunde muss mit der Wirklichkeit seines Tuns konfrontiert werden. Das nenne ich Aufklärung. Man sieht die Bilder, kommt zum Nachdenken und wird sich vielleicht der gesundheitlichen Verantwortung bewusst.

Schockbilder haben also den Sinn, den Raucher beim Griff zur Schachtel an die Konsequenzen seines Handelns zu erinnern und den Käufer vom Kauf abzuhalten. Deshalb dürfen Schockbilder im Regal nicht verdeckt werden, sonst nimmt der Käufer nichts anderes wahr, als eine Wand voller Werbung, die ihm ein harmloses Produkt suggeriert.

Robert Rockenbauer, Bundesleiter
Titelgeschichte der NRZ 4/2016