Offener Brief an das Gesundheitsministerium: Rauchverbot in der Gastronomie

Sehr geehrter Herr Minister Stöger! 

Vier Wochen lang haben sich nun die Österreicher von der Untauglichkeit des Tabakgesetzes überzeugen können.  Es ist eine Verhöhnung des Tabakgesetzes, dass über 60 Prozent der Lokalbetreiber bewusst gegen das Tabakgesetz verstoßen, so z.B. fast alle Lokale in Einkaufszentren. Das Tabakgesetz sieht Rauchverbot für Räume öffentlicher Orte vor. Diese Verstöße können von den Bürgern leicht wahrgenommen werden. Schwieriger wird es schon in der Beurteilung, was ist der Hauptraum. Der Hauptraum als Nichtraucherraum (mindestens 50 Prozent der gesamten Sitzplätze) muss laut Tabakgesetz in seiner Gesamtbetrachtung den anderen Räumlichkeiten als „übergeordnet“ eingestuft werden können. Fast jedes Landgasthaus und viele andere Lokale verstoßen gegen diese Bestimmung, denn der Hauptraum ist meist immer noch verraucht wie eh und je. Der Kennzeichnungspflicht an gut sichtbarer Stelle am Eingang und zu jedem Gastraum und in den Gasträumen wird ebenfalls nicht nachgekommen, was ein weiterer Verstoß gegen das Tabakgesetz ist. 
  
Gesetze nicht einer staatlichen Kontrolle zuzuführen grenzt an Fahrlässigkeit! Die vielen Ausnahmen und Übergangsfristen schaffen wettbewerbsverzerrende Umsatzrückgänge. Es gibt einige Gewinner (Lokale bis 50 qm) und viele Verlierer. Internationale Studien beweisen, dass nur ein generelles Rauchverbot zielführend ist, weil es gerecht allen Gastronomen gegenüber ist. Die Wirtschaftskammer hat offensichtlich nicht mit der Aktivität vieler Nichtraucher gerechnet, die Verstöße an die zuständigen Behörden melden und beschimpft diese und unsere gemeinnützige Vereinigung in einer Presseaussendung (19.1.2009) als Denunzianten. Damit sollen Nichtraucher als „Kontrolleure“ abgeschreckt werden. Es ist eine Frechheit, jemanden als Denunziant zu bezeichnen, der einen Missstand aufzeigt. Solche Aussagen haben einen rufschädigenden Charakter. Wir handeln nach Fakten, nicht nach Vermutungen. Wir arbeiten nicht geheim, sondern reden vorerst mit den Lokalbetreibern, bevor wir bei Uneinsichtigkeit eine Meldung an die Behörden machen (siehe „Falter“ vom 14.1.2009, „Ganze Woche“ vom 28.1.2009). Ein Gesetz, das nicht kontrolliert wird, ist sinnlos. Der Gesetzgeber hätte erkennen müssen, dass solch eine Vorgangsweise die Fronten zwischen Nichtrauchern und Rauchern verhärtet. 
  
Beenden Sie die durch das untaugliche Tabakgesetz vorprogrammierten Konflikte und schaffen Sie ein Gesetz ohne Ausnahmen! Nur ein  generelles Rauchverbot ist leicht umsetzbar, gerecht, erspart den Wirten eine Menge Geld und verhindert jegliche Wettbewerbsnachteile! Aggressive Raucher, die sich ihre Wut vom Bauch reden ohne das Hirn einzuschalten, sind kein Maßstab. Diese setzen sogar Wirte unter ungeheuren Druck:  entweder rauchen lassen oder Kundenverlust. Raucher haben kein Recht, ihre Sucht auf Gesundheitskosten anderer in der Öffentlichkeit auszuleben. Nichtraucher hingegen haben ein Grundrecht, rauchfreie Luft zu atmen! Nichtrauchen ist die Norm! 

80 Prozent der Gastwirte sind mit der jetzigen Regelung unzufrieden! Die Wirtschaftskammer jedoch behauptet, dass 61 Prozent der Wirte die jetzige Lösung einem generellen Rauchverbot vorziehen. Fast alle Lokalbetreiber, die rechtzeitig ein Bauansuchen auf Raumtrennung eingereicht haben, sind nach unserer Erfahrung gar nicht bereit, eine Raumtrennung bis 30.6.2010 zu vollziehen! Die meisten Wirte warten auf ein generelles Rauchverbot! Wenn Sie als verantwortlicher Gesundheitsminister erst nach einem Jahr das unsinnige Tabakgesetz evaluieren, dann handeln Sie verantwortungslos! In einem Jahr sterben in Österreich 14.000 Raucher vorzeitig an den Folgen der Raucherschäden und 1.500 Menschen sterben nur deshalb, weil sie passiv mitrauchen mussten. In Ländern mit einem generellen Rauchverbot in der Gastronomie ist die Herzinfarktrate um 10 Prozent gesunken und der Zigarettenkonsum hat nachweislich auch zu Hause abgenommen. 

Selbst in den Medien wird das Tabakgesetz zerrissen, weil alle Betroffenen damit unzufrieden sind. Sollte Ihnen das nicht Signal genug sein, ein ernsthaftes und durchführbares Tabakgesetz zu schaffen, das dem medizinischen und wissenschaftlichen Erkenntnissen entspricht? Machen Sie sich frei von falschen Zahlen der Wirtschaftskammer, die auch schon in der Vergangenheit das Gesundheitsministerium und die Bevölkerung belogen hat, indem sie z.B. behauptet hat, in der dreijährigen Übergangslösung von 2005 – 2007 jeweils den Prozentsatz (30, 60, 90 Prozent) der geforderten Nichtraucherzonen erfüllt zu haben. Am Schluss waren es ca. 50 Prozent bei großzügiger Auslegung. Und nun hat wieder die Wirtschaftskammer in das Tabakgesetz hineindirigiert und erreicht, dass mit den vielen Ausnahmen und Übergangsfristen die problemlose Umsetzung unmöglich gemacht wurde. Ein Gesundheitsminister hat nicht die Befindlichkeiten der Wirtschaftskammer zu erfüllen, sondern ausschließlich die Interessen der Gesundheit der Bürger. Europa wird rauchfrei. Sorgen Sie für einen echten, umfassenden Nichtraucherschutz! Faule Kompromisse auf diesem Gebiet sind nicht nur ein Armutszeugnis verfehlter Gesundheitspolitik, sondern sind ein Akt fahrlässiger Handlung! 

Wir bitten dringend um Ihre Stellungnahme! 

Mit freundlichen Grüßen 
Bundesleiter Robert Rockenbauer

(28-01-2009)