Rauchfreie Gastronomie muss kommen

Verfassungsgerichtshof (VfGH) als Retter für den Nichtraucherschutz?

881.692 rote Karten hat die Regierung von der Bevölkerung beim „Don’t smoke“ Volksbegehren kassiert. Experten haben im Gesundheitsausschuss des Parlaments die Gefahren des Rauchens und Passivrauchens und den Nutzen einer rauchfreien Gastronomie für alle Betroffenen – Wirte, Gäste, Personal – eindrucksvoll aufgezeigt. 70 Prozent der Bevölkerung und sogar 47 Prozent regelmäßiger Raucher wollen eine rauchfreie Gastronomie. Davon völlig unbeeindruckt beschloss die Regierung gegen jedes bessere Wissen und Gewissen die Aufhebung des absoluten Rauchverbots, das ab 1. Mai 2018 in Kraft hätte treten sollen. Ein untaugliches Tabakgesetz wird gegen jede Vernunft prolongiert. Wie lange noch bleibt Österreich der „Aschenbecher Europas?“

Als Bundesleiter der Österreichischen Schutzgemeinschaft für Nichtraucher erwarte ich, dass der Verfassungsgerichtshof (VfGH) unter Verweis auf das Arbeitnehmerschutzgesetz und das Gleichheitsprinzip, eine rauchfreie Gastronomie als einzig rechtskonforme Regelung vorschreiben wird. Es muss endlich Schluss sein mit der Gesundheitsgefährdung durch das Rauchen. Es muss Schluss sein mit weiteren Verzögerungen und scheinheiligen Lösungen. Jeder weiß doch, dass Nichtraucher in Mischlokalen nicht vor Passivrauch geschützt sind. Es ist erschreckend, dass in Nichtraucherräumen mit angrenzenden Raucherbereichen die Feinstaubbelastung viermal höher ist als an einer stark befahrenen Straße. Warum sollen in Österreich grundsätzlich zwar alle Arbeitsplätze vor Passivrauch geschützt sein, aber nicht jene in der Gastronomie? Warum sollen dort Lehrlinge in neuen Lehrverträgen (ab September 2018) einer Stunde Rauch ausgesetzt werden dürfen, in alten Lehrverträgen sogar bis zu vier Stunden? Wo bleibt da das Recht auf Gleichheit? Zudem haben wir seit 10 Jahren den Beweis, dass sich 80 Prozent der Besitzer von Lokalen mit Raucherbereichen nicht an das Gesetz halten.

Die Bundesregierung zeigt mit ihrer Ignoranz, wie wenig ihr der Gesundheitsschutz der Bevölkerung im Allgemeinen und der Schutz von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in der Gastronomie im Besonderen bedeutet. 
Wie kann sie es mit gutem Gewissen rechtfertigen, dass täglich drei Menschen durch das Passivrauchen sterben und aufgrund fehlender Tabakprävention 13.000 Rauchertote pro Jahr in Österreich zu beklagen sind? Was kann wichtiger sein als die Gesundheit? Verantwortliche sollten wissen, dass die im Passivrauch enthaltenen krebserregenden Substanzen keine Grenze aufweisen, unterhalb derer keine Gesundheitsgefährdung zu erwarten wäre. Das gleiche gilt für die Ultrafeinstäube des Passivrauchs und ihre Folgen wie Herzinfarkt, Schlaganfall und COPD. Es gibt kein risikofreies Passivrauchen, deshalb hätte die Regierung niemals die Aufhebung eines absoluten Rauchverbots in der Gastronomie beschließen dürfen. Wir erwarten daher Klartext vom VfGH! Wir erwarten, dass Ausnahmen vom Rauchverbot in der Gastronomie für rechtswidrig erklärt werden und die Ungleichheit bei Lehrlingen aufgehoben wird, denn auch diese haben Anspruch auf einen rauchfreien Arbeitsplatz.

Österreich hat die Tabakrahmenkonvention 2005 mit der Verpflichtung ratifiziert, den Artikel 8 „Schutz vor Passivrauchen“ umzusetzen. Dieser völkerrechtlich verbindliche Vertrag besagt in Art. 8, dass die Vertragsparteien anerkennen, dass wissenschaftliche Untersuchungen eindeutig bewiesen haben, dass Passivrauchen Tod, Krankheit und Invalidität verursacht. Die Leitlinie 4.1 der Rahmenkonvention zur Tabakkontrolle (FCTC) ruft die Vertragsstaaten dazu auf, „alle Menschen vor Passivrauch zu schützen“ – nicht nur bestimmte Bevölkerungsgruppen wie Kinder oder schwangere Frauen. Ein wirksamer Schutz ist laut WHO nur durch 100% rauchfreie Innenräume möglich und diesen Grundsatz hat auch Österreich rechtswirksam anerkannt, aber bis heute nicht im nötigen Ausmaß vollzogen. Gaststätten sind in Österreich der einzige öffentliche Ort ohne wirksamen Schutz vor dem Passivrauchen. Nur ein Nichtraucherschutzgesetz, das für alle gleich gilt, schützt Nichtraucher, hilft aufhörwilligen Rauchern, hindert Jugendliche am Rauchbeginn, vermeidet Wettbewerbsnachteile, erleichtert die Kontrollen und die Administration und ist ohne Aufwand sofort umzusetzen.

Rauchfreie Luft zu atmen ist ein Grundrecht! Es ist die Aufgabe des Staates, Nichtraucher vor Belästigung und vor Gefährdungen ihrer Gesundheit durch das Passivrauchen zu schützen. Letztendlich muss die rauchfreie Gesellschaft unser aller Ziel sein. Damit meine ich nicht nur das Rauchverbot in Innenräumen, sondern überall dort, wo mehrere Menschen zusammentreffen, auch im Freien (z.B. Außengastronomie, Spielplätze, Sport- u. Kulturveranstaltungen, Freibäder, überdachte Haltestellen, stark frequentierte Fußgängerzonen usw.).

Kanzler und Vizekanzler haben die Umsetzung einer effizienten Tabakpolitik leichtfertigt einem politischen Abtausch geopfert. Dabei gibt es keine andere Maßnahme, mit der mehr Menschenleben gerettet, mehr Krankheiten verhindert werden können, als durch eine drastische Senkung des Zigarettenkonsums. Dazu gehört ein umfassender Nichtraucherschutz, der nur mit einer rauchfreien Gastronomie erreicht wird. Rauchen verursacht menschliches Leid und hohe volkswirtschaftliche Kosten in Milliardenhöhe. Rauchverbote haben somit den höchsten Kosten-Nutzen-Effekt!

Alles andere als die Aufhebung der noch in Kraft befindlichen Ausnahmen vom Rauchverbot in der Gas­tronomie durch den VfGH, wäre im Lichte internationaler Beispiele völlig unverständlich und müsste zu einer weiteren Klage wegen Vertragsverletzung bezüglich Artikel 8 der Tabakrahmenkonvention führen.

Am Schluss bleibt noch die Frage, wer denn diese Kalamitäten mitverursachte. Für mich sind es die 28 Abgeordneten zum Nationalrat, die noch in der rot-schwarzen Regierung für ein absolutes Rauchverbot eintraten, aber in der neuen türkis-blauen Koalition wegen des Klubzwangs umgefallen sind und für die Aufhebung stimmten. Die Hauptlast dieses menschenverachtenden Polit-Spektakels haben aber immer noch die Verantwortlichen Kurz und Strache. Das sollte man bei der nächsten Wahl nicht vergessen. Wenn die Rechtsstaatlichkeit in Österreich noch Gültigkeit hat, und das hat sie, wird die Drüberfahrpolitik der Regierung durch den VfGH eine deutliche Absage erteilt bekommen, davon bin ich überzeugt.

Bundesleiter Robert Rockenbauer, Nichtraucherschützer seit 1975

Appell an den Bundeskanzler: Recht auf Gesundheit sicherstellen

Das Problem ist, dass in Österreich nichts weiter geht, im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern und im Vergleich zu anderen Kontinenten. Wenn man ein bisschen herumkommt in Asien und Lateinamerika, sieht man, dass Österreich wirklich sehr weit hinten ist, was die Tabakprävention und den Nichtraucherschutz betrifft. Das ist für das Ansehen der Republik sehr schädlich, weil wir die Tabakrahmenkonvention unterzeichnet haben, aber in der konsequenten Umsetzung sehr säumig sind.

Aus verfassungsrechtlicher Hinsicht ist die Aufhebung des absoluten Rauchverbots in gar keiner Weise einzusehen und argumentierbar, dass Bedienstete in Wirtschaftsbetrieben unterschiedliche Rechte haben sollen. Menschen, die in der Gastronomie arbeiten, bekommen nicht den Schutz der Gesundheit, wie er für die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen vorgesehen ist. Es ist zu hoffen, dass der VfGH diesen Fehler möglichst bald korrigiert.

Die Rechtskultur in Österreich lässt extrem zu wünschen übrig, weil das Tabakgesetz wie es jetzt existiert, in den meisten Lokalen nicht eingehalten wird. Die Raumtrennung ist reine Augenauswischerei. Die Türen sind mehr oder weniger ständig offen. Das Gesetz verlangt jedoch, dass der Rauch nicht in die deklarierten Nichtraucherzonen eindringen darf. Das wird überhaupt nicht realisiert. Man kann nur reine Nichtraucherlokale aufsuchen, wenn man nicht mit Rauch in Berührung kommen will, was allerdings am Land ein Ding der Unmöglichkeit ist.

Ich appelliere an den Bundeskanzler, dass er das Recht der Bürger auf Gesundheit sicherstellt. Das Land darf nicht von einem Politiker in Geiselhaft genommen werden, der nikotinabhängig ist und in seinem Be­mühen mit dem Rauchen aufzuhören, nicht erfolgreich war und die Aufhebung des Rauchverbots zu einer Koalitionsbedingung gemacht hat. Das ist moralisch höchst problematisch und so jemand ist menschlich im Umgang mit anderen Menschen nicht glaubwürdig. Es würde dem Vizekanzler gut anstehen, würde er diesen Fehler (Aufhebung des absoluten Rauchverbots, Anm.) korrigieren. Es würde ihm innenpolitisch sicher nicht schaden.

Univ.-Prof. Dr. phil. DDr.h.c. Hans Köchler

Pressekonferenz am 5.3.2019 in Wien