Tabakgesetz – in der Praxis völlig untauglich

Weiterhin über 11.000 Rauchertote pro Jahr in Österreich Kinder wurden beim Nichtraucherschutz vergessen Schutzgemeinschaft fordert Novellierung

Ich möchte mit einem abgewandelten Sprichtwort beginnen: „Schlecht is gangen – nix is g’schehen!“

Schlecht ist es uns ergangen, weil wir seit dem Tabakgesetz 2009 einen erhöhten Arbeitsaufwand haben und feststellen müssen, dass sich der Nichtraucherschutz nur teilweise verbessert hat. Und auf das Rauchverhalten hat das Tabakgesetz ebenfalls keine positive Auswirkung, was der kontinuierliche Anstieg der Tabaksteuereinnahmen beweist:
2008  1.424 Mrd.
2009  1.458 Mrd.
2010  1.502 Mrd.
2011  1.568 Mrd.    
Bleibt also Österreich weiterhin der „Aschenbecher Europas“?
Dabei könnte es ganz anders laufen.

Der konsequente Schutz vor dem Zwangsrauchen hat eine gesellschaftlich und gesundheitspolitisch hohe Auswirkung. Je besser der Nichtraucherschutz, desto geringer die Herzinfarktrate und desto weniger junge Menschen beginnen mit dem Rauchen! Keine andere Maßnahme kann das Gesundheitssystem auch nur annähernd so stark entlasten, wie ein generelles Rauchverbot in der Gastronomie – neben den bewährten Rauchverboten am Arbeitsplatz und an öffentlichen Orten. Deshalb ist es aus meiner Sicht ein Skandal, dass ein Gesundheitsminister für gesundheitspolitisch notwendige und höchst effektive Maßnahmen wie einen ausnahmslosen Nichtraucherschutz in Lokalen, keine Mehrheit im Ministerrat und im Parlament findet. Da darf man schon fragen, ob überhaupt der Versuch unternommen wurde, andere Politiker ausreichend zu informieren, um diese Mehrheit zu erreichen! Hätte Gesundheitsminister Alois Stöger das Tabakgesetz evaluiert, dann würde er selbst sehen, dass ein hoher Prozentsatz der Wirte in irgendeiner Form gegen das geltende Gesetz verstößt. In vielen Fällen haben wir – und andere Personen und Organisationen, die Behörden auf Verstöße hingewiesen, doch meist ohne jegliche Auswirkung. Ich gebe Ihnen gerne am Ende der Pressekonferenz einige Beispiele. Auch nach vier Jahren gibt es also keinen hinreichenden Nichtraucherschutz. Welchen Sinn haben Gesetze, die man in einem so hohen Ausmaß frech ignorieren darf? Die Österreichische Schutzgemeinschaft für Nichtraucher fordert daher dringend eine Novellierung des Tabakgesetzes, damit der Nichtraucherschutz nicht nur auf dem Papier steht, sondern auch in der Praxis umgesetzt wird!

Österreichs rückständige Tabakpolitik kostet dem Staat und damit jedem Steuerzahler viel Geld. Der finanzielle Schaden durch das Rauchen (Krankenbehandlungen, Rehabilitationskosten, Invaliditätspensionen, Produktionsausfälle, Brandschäden etc.) beläuft sich in Österreich auf über 4 Mrd. Euro. Weshalb folgen unsere Politiker dem Rat der Lobbyisten, Tabakpreise niedrig zu halten, wenn man andererseits weiß, dass die Erhöhung der Tabakpreise die Zahl der Raucher und Neueinsteiger senken kann? Weshalb hören Politiker auf Produzenten und Dealer eines Suchtmittels, welches jährlich 11.000 bis 14.000 Rauchern vorzeitig das Leben kostet und über 1.100 Nichtraucher durch Passivrauchen umbringt? Ich frage weiter: Was hindert Politiker, Gesetze zu verabschieden, die dem heutigen Stand der Wissenschaft entsprechen und die Bürger schützen? Weshalb hören unsere Politiker eher auf die Lobbyisten der Tabakindustrie und gekaufte Vertreter der Gastronomie, als auf die Ärzte und die Stimme der Vernunft? Ist das etwa der nächste Fall von Korruption, dem wir es zu verdanken haben, dass Österreich in der Tabakprävention im EU-Vergleich an letzter Stelle steht?

Mit manipulierten Zahlen und Horrorszenarien macht man den Wirten Angst, sie könnten durch Rauchverbote Gäste verlieren. Das Gegenteil ist der Fall! Den Wirten möchte ich  daher ins Stammbuch schreiben: Je besser der Nichtraucherschutz, desto höher die Umsätze! Siehe Bayern! Wir fordern nach wie vor ein generelles Rauchverbot in der Gastronomie, weil das die einzige sinnvolle, wirkungsvolle und gerechte Lösung ist. Erst wenn ein Gesetz für alle gleich gilt, wird es auch von den Wirten akzeptiert. Das bestätigen mir 500 Wirte in Österreich, die sich für eine einheitliche Lösung ausgesprochen haben. Nur ein Gesetz ohne Ausnahmen verhindert jeglichen Wettbewerbsnachteil, ist leicht kontrollierbar und stellt alle zufrieden: die Gäste, das Personal, die Wirte und die Behörden. Durch sofortige Abstrafungen wie in Italien, würde es in erster Linie die Raucher selbst treffen. Solange aber wie bei uns nur die Wirte zur Kassa gebeten werden, ist das den Rauchern völlig egal und setzen so den Lokalbetreiber unter Druck: „Wenn ich bei dir nicht rauchen darf, gehe ich in ein anderes Lokal.“

Völlig inakzeptabel ist es, dass der Gesetzgeber den Schutz der Kinder und Jugendlichen total außer Acht gelassen hat. Minderjährige haben in Österreich freien Zutritt in Raucherräume. Für mich spielen sich oft herzzerreisende Szenen ab, wenn ich sehen muss, wie Eltern mit ihren Kleinstkindern in die verrauchtesten Räume gehen, nur um dort ihre eigene Sucht zu befriedigen. Kinder sind eigenständige Persönlichkeiten mit eigenen Rechten. Das ist festgehalten in der UN-Kinderrechtskonvention. Und ein Recht ist, nicht von den Eltern, Verwandten und sonstigen Personen mit Tabakrauchgiften gesundheitlich gefährdet zu werden. Auch der „Fonds Gesundes Österreich“ sagt: „Jeder Mensch hat das Recht auf ein möglichst gesundes Leben.“ Es ist also ein Recht, nicht mit Tabakrauch vergiftet zu werden. Auch deshalb ist eine Novellierung des Tabakgesetzes aus unserer Sicht zwingend notwendig.

Und zum Schluss: Nichtraucherschutz ist Gesundheitsschutz! Dieser ist nach den Erkenntnissen der Wissenschaft umzusetzen und nicht nach Meinung von Interessensvertretungen, die der Tabakindustrie nahestehen. Über 80 Prozent der Nie-Raucher leiden unter den Auswirkungen des Tabakrauchs. Es dürfen niemals Raucher und Ex-Raucher in eine Umfrage einbezogen werden, wenn es um den Nichtraucherschutz in der Gastronomie geht. Man muss die Betroffenen fragen und nicht die Verursacher eines Problems.

Robert Rockenbauer
Bundesleiter der Österreichischen Schutzgemeinschaft für Nichtraucher
(Pressekonferenz am 17.1.2013 in Wien)

Fragen an die Parteien

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Ich vertrete eine überparteiliche Ärzteinitiative. Da wir heuer ein Wahljahr haben, möchte ich jeder Partei eine Frage stellen:

  • Die SPÖ stellt den Kanzler und den Gesundheitsminister. Was hat sie an dem Tabakgesetz verbessert, das ihr Kdolsky hinterlassen hat und das schon Gusenbauer kritisierte? Wenn Stöger bei dieser volksgesundheitlich entscheidenden Aufgabe versagte, wird ihn die SPÖ absetzen oder wird sie weiterwursteln?
  • Die ÖVP stellt Vizekanzler, Finanzministerin und den Wirtschaftsminister, der auch für den Jugendschutz zuständig ist. Was wird sie für den Schutz von Kindern und Jugendlichen tun? Wird sie das Bezugsalter für Zigaretten auf 18 Jahre anheben (wie Deutschland), oder wird sich die ÖVP ihre Politik weiter von der Wirtschaftskammer vorschreiben lassen, oder von Lobbyisten wie Ernst Strasser? Wird die Finanzministerin die Tabaksteuer erhöhen (wie die WHO empfiehlt) und einen kleinen Teil davon in die Tabakprävention investieren?
  • Die FPÖ möchte Regierungsverantwortung übernehmen und ich frage sie daher, ob sie in einem solchen Fall ihre Politik nach den Wünschen ausländischer Tabakkonzerne orientieren würde oder ob ihr der Schutz von Kindern und Jugendlichen wichtiger ist? Wird eine FPÖ in der Regierung einen Brutalkapitalismus vertreten und eine Partei der Rücksichtslosen werden oder die Grenzen persönlicher Freiheit anerkennen, die uns durch unsere Mitmenschen und deren Freiheiten gegeben sind?
  • Die gleiche Frage richtet sich an das BZÖ und die Stronach-Partei: Werden sie erkennen und anerkennen, dass unsere Kinder schon in einem Alter süchtig gemacht werden, in dem sie die Folgen noch nicht abschätzen können (und das für die Profite ausländischer Tabakfirmen)? Stronach schreibt, seine Partei sei Fairness, Wahrheit und Humanität verpflichtet: Dann sollte er auch einen fairen Wettbewerb in der Gastronomie wie in Kanada anstreben und nicht den Lügen der Tabakindustrie folgen und von ihr bezahlten Funktionären Glauben schenken.
  • Die Grünen waren die einzige etablierte Partei ohne Korruptionsskandal und Glawischnig wurde von der Lungengesellschaft für ihr mutiges Auftreten zur Botschafterin der Lungengesundheit ernannt. Aber falls die Grünen Regierungsverantwortung bekommen, frage ich alle Vertreter dieser Partei, ob sie der Tabakpolitik ihrer Vorsitzenden folgen werden und eine Gesetzesänderung wie in NRW oder Bayern anstreben?

o.Univ.-Prof.em. Dr. Manfred Neuberger
Internist, Arbeits- und Umweltmediziner
Clean Air Commission, Akademie d.Wissenschaften
manfred.neuberger@meduniwien.ac.at