VwGH-Erkenntnis umsetzen – nicht diskutieren

Die Wirtschaftskammer (WKÖ) tobt über das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes. Sie sieht zwei Möglichkeiten und will keine von beiden: „Entweder zusätzliche Zu- und Eingänge durch die Mauern der Lokale stemmen, oder das Gasthaus wird zum generellen Nichtraucherlokal.“

Gastro-Chef der Wirtschaftskammer Helmut Hinterleitner in einem KURIER-Artikel: „Die Gastronomie investierte in den vergangenen fünf Jahren unglaubliche 96 Millionen Euro in Trennwände und andere Maßnahmen. Jetzt soll dieses Investment umsonst sein? Betroffen davon sind 15.000 heimische Betriebe. Wo bleibt da die Rechtssicherheit? Das Gesetz muss evaluiert werden. Geben uns die Anwälte grünes Licht, klagen wir noch vor den Wahlen.“

Wenn Herr Hinterleitner von 15.000 von insgesamt 80.000 Betrieben spricht, die von der Erkenntnis des VwGH betroffen sind, dann haben mit anderen Worten 15.000 Betriebe bisher das Tabakgesetz ignoriert! Das wollte Herr Hinterleitner sicher nicht damit sagen, ist aber die logische Folgerung. Denn wer richtig umgebaut hat, ist ja nicht betroffen! Jene, die eine Fehlinvestition getätigt haben, können sich auf unternehmerische Freiheit berufen, aber keinesfalls Schadenersatzansprüche stellen. Niemand hat den Wirten gesagt, dass sie umbauen müssen. Es stand ihnen ja frei, ein rauchfreies Lokal zu betreiben. Einige haben das auch getan und wurden in ihrer Entscheidung nun bestätigt. Denn schon seit Jahren ist nicht sicher, wie lange so eine „Abtrennungslösung“ halten wird. Es war die Rede davon, dass die EU über den Arbeitnehmerschutz ein generelles Rauchverbot in der Gastronomie einführen könnte. Es war unsicher, ob nach Ende der Übergangslösung mit 1.7.2010 nicht doch noch ein Rauchverbot kommen würde. Vom Gesundheitsminister angestrebt aber dafür keine politische Mehrheit bekommen.

Die Zahlen der WKÖ sind eine völlige Übertreibung! Sie sollen lediglich das Mitleid in der Bevölkerung erregen, dass man so vielen Betrieben keinen erneuten Umbau zumuten kann. 96 Millionen Euro wären für die Umbauten aufgewendet worden. Ja, wo hat er (Hinterleitner) denn nur diese Zahlen her? Durch überhöhte Schätzungen (durchschnittlich 6.400 Euro mal 15.000 Betriebe) wird Stimmung gemacht, dass bei so hohen Aufwendungen eine Änderungen nicht tragbar sei. Und die Politiker will man mit diesen falschen Zahlen dazu bewegen, per Gesetzesänderung es den Nichtrauchern wieder zuzumuten, durch verqualmte Raucherräume zu gehen. Denn wenn so viele Betriebe davon betroffen sind, dann muss man wohl den Wirten helfen, so der Gedanke der Wirtschaftskammer. Und schon bisher hatten einige Politiker tatsächlich (unberechtigte) Angst vor Schadenersatzforderungen und sprachen sich gegen eine Änderung der „österreichischen Kompromisslösung“ aus.

Parlamentskorrespondenz Nr. 617 vom 27.6.2013: „Ablehnend äußerte sich Erwin Rasinger (Gesundheitssprecher [!] der ÖVP) mit Unterstützung der FPÖ-Abgeordneten Bernhard Vock und Josef Riemer zu einem totalen Rauchverbot in Restaurants, wie es die Grünen weiters forderten. Dies würde zu Schadenersatzforderungen jener Gastronomen führen, die zuletzt in den Schutz der Nichtraucher unter ihren Gästen investiert haben.“

Dazu schreibt Dr. Stefan Strasser an einige Abgeordnete des Nationalrates folgenden Brief (hier gekürzt wiedergegeben): „Mit diesem Totschlagargument lässt sich natürlich ein Rauchverbot bis in alle Ewigkeit verhindern, denn es wird immer irgendein Gastronom investieren. Dass eine Raumtrennung zu keinem ausreichenden Schutz der Gäste führt, wurde in allen größeren Zeitungen und im ORF kommuniziert. Umbauten können offensichtlich nicht ausreichend verhindern, dass Rauch in die mit Rauchverbot belegten Bereiche dringt. Aber genau das fordert das Tabakgesetz und nur wenige Wirte erfüllen das! Zahlreiche europäische Länder haben bereits weitreichende Rauchverbote in der Gastronomie eingeführt, obwohl sie zuvor eine ähnliche Regelung wie in Österreich hatten (z.B. Spanien). Es kann also kein Lokalbesitzer behaupten, er hätte die Entwicklung nicht ahnen können.
Österreich ist bezüglich seiner Tabakpolitik ein gesundheitspolitischer Geisterfahrer in der europäischen Gemeinschaft. Geisterfahrer gefährden bekanntlich die Menschen in ihrer Umgebung, genau so, wie das auch Tabakprodukte tun.“

Ich kann nicht verstehen, warum den Wirten die Raucher so viel wert sind, dass sie so hohe und vor allem so risikoreiche Investitionen tätigen. Es gebe nämlich eine sehr billige Alternative: Jeder Betrieb wird rauchfrei! Das kostet nur ein Pickerl und würde die Gesundheit der Bürger enorm steigern, die Gesundheitskosten wesentlich reduzieren und gleichzeitig die Umsätze der Wirte kräftig erhöhen. Einzige Voraussetzung: Alle machen das Gleiche! Damit verliert der Wirt keine Gäste, sondern gewinnt neue hinzu!

In Österreich haben wir 400.000 Asthmapatienten, 400.000 Patienten mit einer behandlungspflichtigen COPD, einige 100.000 Herzpatienten und jedes Jahr 39.000 Krebs-Neuerkrankungen. Über eine Million Menschen sind allein aus diesen Gründen von der Gastronomie völlig ausgeschlossen, denn die Gefahr eines Rückfalls (Rezidiv) oder wegen der Gefahr einer Zweit-Krebserkrankung ist in rauschgeschwängerten Räumen einfach zu groß. Diese Personen und die vielen anderen, die sich einfach nicht vollstinken und gefährden lassen wollen, könnten neu als Gäste begrüßt werden, wenn es ein generelles Rauchverbot gäbe. Warum begreifen das die Funktionäre der WKÖ nicht (siehe auch Seite 3)? Passivrauch ist nicht nur eine Geruchsbelästigung, sondern eine schwerwiegende Gesundheitsschädigung. Über 1.100 Menschen sterben in Österreich nur deshalb, weil sie passiv mitrauchen mussten. Durch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes sind nun die Nichtraucher besser vom Tabakrauch geschützt. Man sollte diese Tatsache zur Kenntnis nehmen und umsetzen und nicht durch immer wieder neue emotionale Debatten in Frage stellen!

Robert Rockenbauer